Samstag, 3. Dezember 2016

Woche 16... Erfahrung, Erkenntnis und Erinnerung

Hey guys,

Noch ist es nicht soweit, dass meine Uhr zwölf schlägt und der ganze Zauber vorbei ist. Ich habe noch Zeit mein Märchen zu genießen. Dennoch rennt die Zeit, sie gleitet mir nahezu durch die Finger und ich weiß gar nicht wie mir geschieht, denn tatsächlich ist es so, dass bereits nächste Woche mein Zeiger auf 4 Monate vorrutscht. Einfach so. 
Als ich kleiner war und die Zeit zwar schnell verging, aber die Jahre doch ewig brauchten, um mich in die erste Klasse zu bringen, habe ich so oft gehört, "Ach, bist du groß geworden." oder "Wie die Zeit doch rennt!" und ich glaube, dass ich mich fast jedes Mal gefragt habe, was das soll. 
Die Zeit rannte doch gar nicht, ich war schließlich immer noch im Kindergarten oder in der ersten Klasse und bis ich erwachsen sein würde, würde es noch eine Ewigkeit dauern. 
Als ich dann größer wurde, habe ich verstanden, was die Erwachsenen damals meinten. Die Zeit rennt tatsächlich. Wenn ich zurück sehe, erscheinen mir meine einzelnen Schuljahre unglaublich kurz und erst letztes Jahr um diese Zeit habe ich genau hiervon geträumt und jetzt sitze ich hier und wieder rennt die Zeit.

Die Zeit heilt alle Wunden.

Wunder bringt die Zeit.

Zeit ist Geld.

Die Menschheit macht sich seit Jahrtausenden Gedanken um die Zeit, um ihre Verwendung und um ihrer Verschwendung, aber wenn wir nicht genau wissen, was Zeit eigentlich ist, wie können wir dann behaupten, dass sie Geld ist, Wunder bringt oder unsere Wunden heilt? Wenn kein Mensch auf dieser Welt die Zeit erklären kann und uns erzählen kann, was Stunden, Minuten und Sekunden eigentlich sein sollen, wie kann ich mir dann sicher sein, dass ich sie richtig nutze? 
Wie kann ich wissen, dass ich meine Zeit nicht verschwende, wenn ich nicht einmal weiß, was dieses Zeit eigentlich ist? 
Geld ist etwas, das die Menschheit vor vielen Leben erschaffen hat, um sich das Leben irgendwie zu strukturieren, haben wir dann dasselbe mit der Zeit getan, denn schließlich ist Zeit ja Geld. 
Und was ist, wenn nicht diese Zeit unsere Wunder bringt, sondern wir selbst? Was ist, wenn wir selbst unsere Wunder Tag ein, Tag aus erschaffen und es nur nicht merken? Was ist, wenn diese Zeit damit gar nichts am Hut hat? Wie sollte sie auch? 
Und wie soll Zeit etwas heilen, das wir tief in uns verstecken, so tief, dass vielleicht nicht einmal unser Nächster es erkennen kann, so tief, dass es vielleicht nicht mal von uns selbst bemerkt wird. Wie sollte die Zeit so etwas anstellen? 

Zeit ist ein Mysterium, das sich die Menschheit zu erklären versucht. Die Menschheit will schlau sein, gebildet, wissend, aber vor allem will sie alles um sich herum unter Kontrolle haben und weil irgendwoher diese Zeit kommt und wir sie einfach nicht erklären können und das eigentlich jedem schlauen Kopf bewusst ist, verdrängen wir das ganz einfach. Wir verdrängen, dass wir es nicht erklären können, wir grenzen es in unsere Einheiten und behaupten es zu wissen, aber letzten Endes wissen wir doch nicht mehr, als dass dieses Phänomen Zeit wohl noch eine ganze Weile über uns stehen wird, wenn nicht sogar für immer.

Aber warum erzähle ich euch das eigentlich? Weil ich die Zeit liebe. Ich würde mich so gerne bei ihr -oder ihm- bedanken, weil ich die Chance bekomme etwas aus meinem Leben zu machen, etwas aus dem zu machen, was wir als Jahr bezeichnen. Jede sogenannte Woche zu genießen und, wenn meine Uhr dann zwölf schlägt mehr mitnehmen zu können, als einen gläsernen Schuh und die Erinnerung an das was war. Ich möchte mich so gerne bedanken, dass es mir erlaubt ist ein zweites Zuhause zu finden, neue magische Momente zu sammeln und Erkenntnisse, Erfahrung und Erinnerungen aus jeden einzelnen Moment zu ziehen.
Wir alle sind an die Zeit gebunden, ob wir wollen oder nicht. Keine Erfahrung, Erkenntnis oder Erinnerung ist zeitlos, auch wenn sich die Menschheit das gerne einredet. Nur wenn die Zeit uns gewährt diese zu sammeln und uns gibt, was wir brauchen, um eben dies zu tun, ist es uns möglich das zu tun. 
Wenn die Zeit es nicht möchte, dass wir eine Erinnerung behalten, stiehlt sie uns ebendiese, dasselbe gilt für alles in unserem Leben. Vielleicht mögen die Menschen machtvoll, gefährlich und unberechenbar sein, aber die Zeit ist unberechenbarer, machtvoller und weitaus gefährlicher, als wir vielleicht je vermuten würden. 
Und aus irgendeinem Grund gewährt die Zeit mir solche Momente, sie halt mir erlaubt mir ein Sozialleben Stück für Stück in Schweden, auf Gotland aufzubauen, sie hat mir geholfen eine Sprache endlich anfangen zu sprechen ohne jedes Wort vor Angst falsch zu betonen, sie hat mir geholfen zu dem Mensch zu werden, der ich heute bin. 
Dennoch bin auch ich nicht sicher vor ihrer Macht, sie wird mir all das wieder nehmen, zwar nie vollkommen, aber irgendwann -schon in nur noch ein bisschen mehr als 6 Monaten- werde ich hier sitzen, verzweifeln, wie ich mein Leben erneut in ein paar Kartons und einen Koffer stopfen und all das wieder zurück befördern soll. 
Aber bis es soweit ist, hoffe ich, dass die Zeit mir noch einige wundervolle Momente, wie in dieser Woche genehmigt. 
Ein Utbytesstudent-Fika, mit den andern beiden Austauschschülern am Freitag nach der Schule. 
Einen echt schönen Tag mit Ebba in der Stadt und ein Kinobesuch am Abend mit Ebba und einer Klassenkameradin heute.
Ein weiteren wundervollen Termin bei meinem Steinkurs diesen Mittwoch und jeder dieser kleinen Erfolge, die ich erleben darf. Dieses Glücksgefühl, das mir durch die Adern fließt, wenn ich für mein Schwedisch gelobt werde, wenn ich etwas richtig gemacht habe, wenn ich mich etwas getraut habe. 
Einfach unglaublich.



Vi ses snart,


Lea

1 Kommentar:

  1. Hallo meine Line!
    Wieder haben wir einen tollen und philosophischen Eintrag lesen dürfen. Danke dafür! Nur ein Gedanke dazu: Zeit werde ich haben für dich und deine Anliegen, egal an welchem Tag und zu welcher Stunde.
    Meine Woche war nicht außergewöhnlich, doch die schönen langen Spaziergänge mit Fiete sind immer wieder eine Wohltat für mich. Du kannst im nächsten Jahr gern daran teilnehmen oder allein mit ihm deinen Gedanken nachhängen.
    Für Samstag haben Sandra und ich uns zu einem Spaziergang verabredet, die Männer verweilen lieber im Sofa.
    Ich wünsche dir weiterhin eine schöne Adventszeit mit Vorfreude auf Weihnachten. Hälsningar fran mormor

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